Rheinsberger Straße 18

Ein Foto-Aktions-Künstler erinnert sich …

Kurt Buchwald

Ein Jahr vor der Wende tauchen in Ostdeutschland selbst gebastelte Schilder auf: „Fotografieren verboten!“. Der an Restriktionen gewöhnte Bürger nimmt das als gegeben hin, und die Obrigkeit zögert, nicht die Vorschrift durchzusetzen. An einem öffentlichen Ort wie dem Alexanderplatz in Berlin eine oft gemachte Erfahrung. Am 30. Mai 1989 trifft es kein westliches Kamerateam sondern Passanten, die die Weltzeituhr fotografieren wollen. Um das Bauwerk ist eine Schnur gespannt, an der Piktogramme mit einer durchgestrichenen Kamera hängen. Auch Kurt Buchwald, ein Künstler aus Ostberlin, der kurz davor diese Installation aufgebaut hat, wird von einem Volkspolizisten aufgefordert seine Kamera wegzupacken: „Hier ist das Fotografieren verboten!“. Als der Schwindel auffliegt, wird er zusammen mit seinen Mitstreitern auf die Polizeiwache gebracht. Diese Aktion ist der Auftakt zu „30 Tage permanente Kunstkonferenz“, organisiert von der Galerie „Weißer Elefant“. Fortan untersagen die Behörden Aktivitäten im öffentlichen Raum. Parallel zu den Aktivitäten in Ostberlin hat Wolfgang Krause in der Dresdener Neustadt an heruntergekommenen Abrisshäusern die gleichen Schilder „Fotografieren verboten!“ angebracht. „Unerhört, jetzt darf man diese Häuser nicht mehr fotografieren!“ beschweren sich die Anwohner.
Es ist eine seltsame Situation kurz vor dem Ende der Arbeiter- und Bauernmacht. Der Umbruch liegt in der Luft. Eine Ausstellung mit Künstlerfreunden im Juni 1989 hat Buchwald „Da capo al fine“ (musikalische Spielanweisung: noch mal wiederholen bis zum Schluß) genannt. Im Dezember des gleichen Jahres kann er seine Verbotsschilder problemlos auf der Westseite der Mauer am Potsdamer Platz aufstellen. Wer hätte das vor einen halben Jahr gedacht? In einem schwarzen Overall, vermummt mit einer quittegrünen Gesichtsmaske, stellt er sich zusammen mit einem Künstlerkollegen den Mauerspechten entgegen, die nicht nur den Grenzwall fotografieren, sondern gleich stückchenweise abtragen und als Andenken mit nach Hause nehmen.

aus: K. Bringewicht, „Vom Abtun der Bilder“ Die Aktion „Fotografieren verboten!“ (1988 – 2005)
In Aktion
Quelle: Kurt Buchwald
www.wahrnehmung.de